Eine der faszinierendsten Eigenschaften elektromagnetischer Wellen im Allgemeinen und Licht im Speziellen ist die Polarisation. Sie legt fest, wie das elektrische Feld einer solchen Welle im Raum orientiert ist und sich mit der Zeit verhält. Oszilliert die Welle z.B. in einer festen Ebene, so spricht man von linearer Polarisation. Dreht sich das elektrische Feld hingegen mit der Zeit um die Propagationsachse, so ist von zirkularer (oder elliptischer) Polarisation die Rede. Die Rotation derart polarisierter Felder führt dabei auch zu einer anderen, direkt verwandten und spannenden Eigenschaft, dem sogenannten Spin (Drehimpuls), der immer senkrecht zur Drehebene des Feldes steht. Wie auch der Propeller eines Flugzeuges, so führt eben auch Licht einen solchen Drehimpuls mit sich. Ist Licht aber z.B. vollständig unpolarisiert, wie z.B. das Licht einer LED oder Glühbirne, so würde man intuitiv also auch erwarten, dass die Polarisation nicht definiert ist und der Spin vollständig verschwindet.
Mitglieder der oben erwähnten, internationalen Forschergruppen und Kollegen entdeckten vor mehr als einer Dekade, dass Licht sich nicht nur wie ein Propeller in Bezug auf dessen Drehimpuls verhalten kann, sondern auch wie ein sich drehendes Rad. In diesem überraschenden Fall ist der Spin bzw. der Drehimpuls also nicht wie beim Propeller parallel zur Flugrichtung ausgerichtet, sondern senkrecht zur Fortbewegungsrichtung, also transversal; eine direkte Konsequenz der Rotationebene des elektrischen Feldes, welches sich wie die Speichen eines Rades dreht. Dieses Phänomen sogenannter transversaler Drehimpulse wurde anfangs noch als exotisch und exklusiv betrachtet. Durch die Arbeit besagter internationaler Gruppen konnte aber auch gezeigt werden, dass es sich um eine allgegenwärtige Eigenschaft räumlich begrenzter Felder handelt.
In einem gemeinsamen Projekt führten die Gruppen aus Österreich, Deutschland, UK, Japan, Frankreich und den USA nun die beiden Konzepte unpolarisierten Lichts und transversaler Drehimpulse zusammen. Hierzu führten sie zwei konzeptuell völlig unterschiedliche Experimente durch, die beide mit einer neuen vereinheitlichten Theorie beschrieben werden können. Dabei konnten die Forscher zeigen, dass gegen die Intuition vollständig unpolarisiertes Licht plötzlich zirkular bzw. elliptisch polarisiert ist, und damit eben auch (transversalen) Spin trägt, wenn man es nur räumlich stark einschränkt. Diese erstaunliche Erkenntnis hat dabei weitreichende Konsequenzen. So ist es damit z.B. möglich, durch eine einfache Fokussierung mit Hilfe einer Linse Licht zu polarisieren und zum Drehen zu bringen, was wiederum dem weitreichenden Verständnis unpolarisierter Lichtfelder zu wiedersprechen scheint. Der Schlüssel dieser Entdeckung liegt in der komplexen Struktur des Lichts auf mikroskopischen und nanoskopischen Längenskalen und gleichzeitig in der Allgegenwärtigkeit transversaler Drehimpulse.
Die Ergebnisse der internationalen Studie wurden kürzlich in Nature Photonics (https://doi.org/10.1038/s41566-020-00733-3) veröffentlicht. Die internationale Kollaboration wirft also mit Ihrer gemeinsamen Arbeit ein neues Licht auf die Eigenschaften unpolarisierter Wellen und Felder und eröffnet damit neue Wege zur Gestaltung und Durchführung optischer Experimente, bei denen die Polarisation eine wichtige Rolle spielt, was in vielen Forschungszweigen der Fall ist. Abschließend lässt sich festhalten: es dreht sich also doch….
J. S. Eismann, L. H. Nicholls, D. J. Roth, M. A. Alonso, P. Banzer, F. J. Rodríguez-Fortuño, A. V. Zayats, F. Nori & K. Y. Bliokh, „Transverse spinning of unpolarized light“, Nature Photonics (2020)
https://doi.org/10.1038/s41566-020-00733-3
Nature Photonics News & Views:
https://www.nature.com/articles/s41566-020-00756-w
News-Artikel auf PhysicsWorld:
https://physicsworld.com/a/spin-in-unpolarized-light-defies-conventional-picture/
Kontakt: Peter Banzer; Optik von Nano- und Quantenmaterialien (Webseite)